Verkannte, aber für den Welthandel wesentliche Mechanismen

Als echte universelle Zollnomenklatur ist das Harmonisierte System für das reibungslose Funktionieren des internationalen Handels unentbehrlich. Der Ausschuss für das Harmonisierte System (HS-Ausschuss) sorgt für die einheitliche Anwendung dieser Lingua franca des Zolls – unter aktiver Mitwirkung der Schweiz, die aktuell den Vorsitz der Arbeitsgruppe innehat, die für das Verfassen der vom HS-Ausschuss gefällten Entscheide verantwortlich ist.

30.07.2025, Nicolas Rion

Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren – kurz: das HS – bildet die Grundlage dessen, was gemeinhin «Zolltarif» genannt wird. «Das HS ist ein für den reibungslosen internationalen Handel unentbehrliches Werkzeug», betont Cédric Stuck, Zolltarifexperte beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG). «Eine genaue Klassifizierung ermöglicht es, zuverlässige Statistiken zu erstellen, die insbesondere für die Marktforschung nützlich sind. Ebenso trägt sie dazu bei, dass Abgaben korrekt erhoben werden und dass die verschiedenen Massnahmen und Beschränkungen im grenzüberschreitenden Handel, zum Beispiel im Bereich der landwirtschaftlichen Produkte oder der Sanktionen, ordnungsgemäss umgesetzt werden.» Sein Kollege Christof Zimmermann, der die Schweiz schon seit mehreren Jahren im HS-Ausschuss vertritt, vergleicht das HS mit einem «Universalwörterbuch der Waren», anhand dessen ein Produkt überall auf der Welt leicht eingeordnet werden könne.

Da regelmässig neue Produkte und Produktionsverfahren auf den Markt kommen, müssen die Länder ihnen schnell die richtigen Tarifcodes zuweisen können – denn dies hat einen Einfluss auf die Besteuerung, die Kontrollen und den Konsumentenschutz. Da das HS nur alle fünf Jahre revidiert wird, verfasst der HS-Ausschuss in der Zwischenzeit «Erläuterungen», um einige bestehende Einreihungsregeln zu präzisieren. Dies soll zur Einreihung neuer Produkte in der richtigen Position beitragen.

Ebenso fällt der HS-Ausschuss Einreihungsentscheide zu konkreten Produkten, zu denen es manchmal Differenzen zwischen zwei Vertragsparteien gibt. «Wenn der bilaterale Austausch zwischen den Zollverwaltungen zu keinem Ergebnis führt, kann die Schweiz den Ausschuss um Vermittlung ersuchen», erklärt Christof Zimmermann. «Entscheidend ist, dass die Staaten das HS konsequent anwenden. Es ist ein Eckpfeiler des internationalen Handels», fügt Cédric Stuck hinzu.

Cédric Stuck und Christof Zimmermann
Cédric Stuck, Delegierter im HS-Revisionsunterausschuss (links) und Christof Zimmermann, Vorsitzender der Arbeitsgruppe des HS-Ausschusses sowie Zollexperten des BAZG.
© BAZG

Die Bedürfnisse der Schweizer Wirtschaft kennen und wahren

Für seine Arbeit trifft sich der HS-Ausschuss zweimal pro Jahr in Brüssel am Sitz der Weltzollorganisation (WZO), dem er fest angehört. Dort debattieren die Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten offen über eingereichte Fragen und legen Auslegungsvorschriften zum Zolltarif fest, die dann weltweit angewendet werden.

Da die Entscheide des HS-Ausschusses einen direkten Einfluss auf die Wirtschaft haben, engagieren sich die Vertreterinnen und Vertreter des BAZG aktiv für die Wahrung der Interessen der Schweiz. Falls nötig, konsultieren sie dafür die Wirtschaftsverbände. Christof Zimmermann stellt klar, dass man, um gute Lösungen zu finden, sowohl die Herausforderungen im eigenen Land als auch diejenigen in den anderen Ländern kennen muss. «Dank einer guten Analyse und Kenntnis der betreffenden Dossiers und Produkte kommt es nicht selten vor, dass die Schweiz andere Delegationen davon zu überzeugen vermag, sich ihrem Standpunkt anzuschliessen.»

So konnte das BAZG in den letzten Jahren in mehreren Fällen Einreihungsentscheide verhindern, die für die Schweizer Exportwirtschaft problematisch gewesen wären, oder sicherstellen, dass das HS von den ausländischen Zollverwaltungen den internationalen Vorschriften entsprechend angewendet wird.

Vom Entscheid zur Praxis

Nach dem formellen Entscheid des HS-Ausschusses zur Einreihung eines Produkts wird die Diskussion auf einer tieferen Ebene weitergeführt, um die praktische Umsetzung des Entscheids zu gewährleisten. Hier kommt die Arbeitsgruppe ins Spiel, indem sie Entscheide, die sogenannten «Einreihungsavise», verfasst. In dieser Phase ist noch nicht alles gesagt, und es gibt nach wie vor Spielraum.

«Ein Detail kann für einen ganzen Sektor einen enormen Unterschied machen. Jedes Wort zählt. Man muss aufmerksam bleiben und im richtigen Moment handeln», erklärt Christof Zimmermann, der aktuell den Vorsitz dieser Arbeitsgruppe innehat. Das Ziel bestehe darin, möglichst eindeutige Texte zu verfassen. «Unsere Nutzenden sind die Unternehmen und die nationalen Zollverwaltungen. Sie müssen den Entscheid leicht nachvollziehen und sich ein Bild des eingereihten Produkts machen können, da sonst das Risiko einer Fehlauslegung besteht.»

Gruppe HS-Ausschuss
Die Arbeitsgruppe für das Harmonisierte System tagt unter dem Vorsitz der Schweiz, v.l.n.r.: Sujing Yuk (Teamchefin WZO, HS-Nomenklatur), Christof Zimmermann (Vorsitzender der Arbeitsgruppe HS), Lamia Frigui (Teamchefin WZO, HS-Nomenklatur) Toshihiko Yamate (Technischer Mitarbeiter WZO, HS-Nomenklatur)
© BAZG

Bohnen und Smartwatches

Zur Veranschaulichung hier einige Beispiele. Bei der Sitzung im September 2024 entschied der HS-Ausschuss, ein Produkt namens «geröstete ausgelöste Mungobohnen» in der Position 2005 einzureihen. Die Schweiz war zwar nicht direkt davon betroffen, doch für einige Länder war dies ein bedeutender Entscheid. Beim Verfassen des Einreihungsavis kam es zu intensiven Diskussionen. «Sollte man als Begriff ‹geröstet›, ‹gekocht› oder doch eher ‹thermisch behandelt› verwenden? Sollte man präzisieren, dass die Verarbeitung in einem elektrischen Ofen erfolgt?», erinnert sich Christof Zimmermann.

Diese Unterscheidungen mögen von Aussenstehenden belächelt werden, sind aber alles andere als unbedeutend. «Der Ausgang einer solchen Diskussion kann für eine Volkswirtschaft erhebliche Auswirkungen haben», betont Christof Zimmermann. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe war es seine Aufgabe, die Debatte zur Umsetzung eines Grundsatzentscheids zu leiten und gleichzeitig Lösungen zu finden, die den Interessen aller Beteiligten Rechnung trugen. «Für meine erste Sitzung als Vorsitzender der Arbeitsgruppe war das eine anspruchsvolle und heikle Aufgabe, aber letztendlich war es ein Erfolg», erinnert sich Christof Zimmermann.

Manchmal muss auch die Schweiz ihre unmittelbaren Interessen verteidigen, zum Beispiel als die neuen Smartwatches auf den Markt kamen. Dank einer gut durchdachten Formulierung der Einreihungsavise konnten die Smartwatches weiterhin als Uhren eingereiht werden, und nicht als einfaches Telefonzubehör zum Empfang und zur Übermittlung von Daten. Das Ergebnis: Sie werden weiterhin in den Uhrenstatistiken erfasst und unterstehen nach wie vor demselben Zollverfahren wie die traditionellen Uhren – womit sichergestellt ist, dass mit allen Armbanduhren gleich verfahren wird. Bei diesem Dossier arbeitete der Schweizer Zoll eng mit den betreffenden Wirtschaftsverbänden zusammen und konnte trotz des anfänglichen Widerstandes vonseiten einiger Produktionsländer von Smartwatches seinen Standpunkt durchsetzen.

Abschluss des Revisionszyklus «HS 2028»

Das Harmonisierte System ist ein dynamisches und lebendiges System. Es entwickelt sich in Zyklen von fünf Jahren weiter. Die Mitgliedstaaten können neben Anpassungen der geltenden Auslegungsvorschriften auch Änderungen an der Struktur des HS selbst vorschlagen. «Es geht also nicht mehr nur um die Debatte zur richtigen Verwendung eines ‹Wortes› im richtigen Kontext, sondern auch um die Eintragung neuer ‹Wörter› in das ‹Wörterbuch› der universellen Zollnomenklatur», erklärt Cédric Stuck, der die Schweiz im Unterausschuss für die Revision vertritt. «Ende Juni 2025 hat der Zollrat, das oberste Organ der WZO, das sich aus den Generaldirektorinnen und -direktoren der Zollverwaltungen aller Mitgliedstaaten zusammensetzt, die Version 2028 des HS verabschiedet, und wir werden darüber bald ausführlicher informieren.»

Raum HS-Ausschuss
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