Zollmuseum: Zwei neue Sonderausstellungen zum Saisonstart

Der Schweizer Zoll war im Laufe der Zeit immer wieder mit ausserordentlichen Situationen konfrontiert. Zwei davon sind der Zweite Weltkrieg und die Corona-Pandemie. Das Zollmuseum der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) im Tessin widmet diesen beiden Ereignissen in dieser Saison je eine eigene Ausstellung. Forum Z. stattete dem auffälligen Haus am Luganersee einen Besuch ab.

16.06.2021, Pascal Jost und David Marquis

Haben Sie Pläne im Tessin für die Sommerferien? Ein Besuch im Zollmuseum ist sehr zu empfehlen. Bereits die Anreise nach Cantine di Gandria weiss zu verzücken. Eine rund 25-minütige Schifffahrt ab Lugano gehört zum Besuch des Zollmuseums dazu. Links der Monte Brè, rechts der Monte San Salvatore und in Fahrtrichtung eine sich hoch erstreckende Felswand. Fahrtziel: Cantine di Gandria mit dem dort ansässigen Zollmuseum. Beim Anlegen an der Bootsstelle steht man vor dem orangenen Gebäude mit der Aufschrift «Zollmuseum». Doch nicht weniger eindrücklich als die Anfahrt und die Aussicht während der Schifffahrt sind die Ausstellungen in dieser Saison.

Anfahrt zum Zollmuseum
Die idyllische Anfahrt zum Zollmuseum. Foto: Simone Mengani

Eine Geschichte von Armut und Verfolgung

Obwohl die Schweiz im Zweiten Weltkrieg von den Expansionsbestrebungen der Achsenmächte verschont blieb, ergoss sich ein regelrechter Strom von Schmugglerinnen und Schmugglern über die südliche Grenzregion. Um ihr spärliches Gehalt aufzubessern, riskierten Männer, Frauen und sogar Kinder aus italienischen Grenzdörfern täglich ihr Leben.

Die Ausstellung «Eine Geschichte von Armut und Verfolgung» wurde mit dem Historiker, Adriano Bazzocco realisiert und beleuchtet die damaligen Ereignisse an der schweizerisch-italienischen Grenze. Nebst Fotografien, die erstmalig einer breiten Öffentlichkeit präsentiert und mittels Texten untermalt werden, gibt es Videosequenzen und Exponate zu bestaunen, wie die Ausrüstung eines Schmugglers oder einen Teil des damaligen Grenzzauns. Geschichten von Zeitzeugen machen deutlich, wie beschwerlich solche Unternehmungen sein mussten.

Ein ganz besonderer Teil der Ausstellung legt den Fokus auf Flüchtlinge dieser Zeit. Mit emotionaler Musik «La forza del destino» (von Giuseppe Verdi) in einer Aufnahme von dem berühmten Dirigenten Arturo Toscanini im Hintergrund, wird eine scheinbar unendlich lange Liste von Namen an die Wand projiziert. Es sind die Namen von abgewiesenen Menschen, die via Cantine di Gandria aus dem besetzten und von Bürgerkriegen gebeutelten Norditalien flüchteten. Wer waren diese Menschen und was trieb sie an? Die Biografien von fünf Geflüchteten zeigen, wie die Grenze zum Ort wurde, an dem sich das Schicksal entscheiden konnte: Manche der Menschen wurden von der Schweiz aufgenommen, andere wurden zurückgewiesen, in Italien verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Nur die wenigsten kehrten von dort je wieder zurück.

Schmuggelausstellung
Die Exponate der Ausstellung stammen sowohl von öffentlichen Institutionen wie auch aus Sammlungen von Privatpersonen. Foto: Simone Mengani

«Durch die Ausstellung wird die wirtschaftliche Not sichtbar, wenn wir uns bewusst machen, dass der Schmuggel über die Südgrenze für Teile der Tessiner Bevölkerung existentiell war. Aber auch, wie viele Flüchtlinge den Weg in Schweiz suchten und teilweise zurückgewiesen wurden. Diese besonderen Schicksale berühren mich sehr», so Museumsleiterin Maria Moser-Menna zur Ausstellung. Allein im Tessin wurden zu dieser Zeit
ca. 26 000 Soldaten sowie 12 000 geflüchtete Zivilisten aufgenommen.

«Ausser-Ordentlich»: Eine Ausstellung zum Zoll in Zeiten von Corona

Aufgrund der Corona-Pandemie war die Schweizer Grenze im Frühling 2020 weitgehend geschlossen. Die zweite Sonderausstellung beleuchtet verschiedene Aspekte der Pandemie – insbesondere der Grenzschliessung – aus Sicht des Schweizer Zolls. Aber nicht nur die Arbeit des Zolls änderte sich von einem Tag auf den anderen mit der Einführung der systematischen Grenzkontrollen massgeblich, vor allem die Bevölkerung war von dieser Situation direkt betroffen: Menschen, die zwecks Arbeit oder privaten Beziehungen bis dahin täglich die Grenze überschritten hatten. Eine davon ist die Spitzenbiathletin Selina Gasparin. Corona bescherte ihr ein vorzeitiges Saisonende. Die Olympia-Silbermedaillen Gewinnerin von Sotschi 2014 ist bei der EZV angestellt und stand statt auf den Langlaufski plötzlich in der blauen Uniform an der Grenze Campocologno (GR). In einem Porträt erzählt sie, dass es für sie im Moment des Saisonabbruchs selbstverständlich war, ihre Kolleginnen und Kollegen an der Grenze zu unterstützen. In insgesamt 17 Geschichten kommen unter anderem Kunden der EZV, Grenzgängerinnen und Grenzgänger, ein binationales Paar, das durch die Grenzschliessung getrennt wurde sowie EZV-Mitarbeitende zu Wort.
 

Ausstellung «Ausser-Ordentlich»
Die Ausstellung «Ausser-Ordentlich» gibt aus Perspektive der EZV Einblick in das historische Ereignis der Grenzschliessung während der Corona-Pandemie. Foto: Simone Mengani

«Für mich war es eindrücklich zu erleben, wie wir bei der EZV von Null auf Hundert in eine völlig neue Situation katapultiert wurden. Durch die Ausstellung ‹Ausser-Ordentlich› wurde das in der Retroperspektive noch deutlicher», so Moser-Menna. Unter ihrer Leitung wurde die Ausstellung zusammen mit der Basler Agentur «eyeloveyou» in Form von Videos, Bildern und Texten erarbeitet.

Öffnungszeiten und Eintritt

Nebst den beiden Sonderausstellungen erwartet die Besucherinnen und Besucher wie immer die Dauerausstellung «1'935 Kilometer Grenze im Museum». Sie stellt mit originalen Exponaten wie der Dienstkleidung oder die Einrichtung des Schlafzimmers der Grenzwächter die Geschichte des ehemaligen Grenzpostens dar.

Das Museum ist jeweils von Dienstag bis Sonntag von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet und der Eintritt ist frei. Alle Informationen zum Museum, den Ausstellungen und der Anreise via Boot finden Sie unter zollmuseum.admin.ch

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