Berufe und Integration beim Schweizer Zoll

In Zusammenhang mit den Herausforderungen in Europa rund um Themen wie Grenzschutz und Migration ist auch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG wieder vermehrt in den politischen und medialen Fokus gerückt. Was dabei weniger bekannt ist: Das BAZG bildet nicht nur Fachspezialistinnen und Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit aus, sondern bietet im Rahmen der Berufsbildung auch andere Berufslehren an und wirkt an der Integration von jungen geflüchteten Menschen mit.

24.04.2025, Attila Lardori, Chef Betrieb Campus BAZG, Praxisbildner

Jeden Tag überqueren mehr als 2 Millionen Personen, 1 Million Fahrzeuge und 21'000 Lastwagen die rund 1900 Kilometer lange Schweizer Grenze. Für eine umfassende Sicherheit an der Grenze sorgen die Mitarbeitenden des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit BAZG, die pro Tag im Schnitt rund 65 Millionen Franken Einnahmen generieren, 68 zur Fahndung oder Verhaftung ausgeschriebene Personen feststellen, 3 kg Drogen und 11 verbotene Waffen sicherstellen oder 26 mangelhafte Lastwagen aus dem Verkehr ziehen. Dafür bietet das BAZG jedes Jahr zwei Lehrgänge für angehende Fachspezialistinnen und Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit an.

360°-Kontrolle LKW

Das BAZG bildet aber nicht nur Personen für den operativen Bereich aus, sondern bietet auch Lehrstellen und Praktika an – auch im Rahmen von kantonalen Integrationsprogrammen.

Von Burschen und Jünglingen

«Bei der Oberzolldirektion gibt es Lehrlinge. Im Frühjahr 1976 hat ein Bursche eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten begonnen. In der Zwischenzeit sind vier weitere Jünglinge in die Lehre eingetreten». Dieser Bericht erschien im Juni 1978 in der damaligen Zollzeitschrift «Zoll-Rundschau» und bildete den Startschuss der Berufsbildung beim Schweizer Zoll. Was damals eher aussergewöhnlich war, ist heute im Bereich der Berufsbildung im dualen Bildungssystem der Schweiz nicht mehr wegzudenken. Dieses System mit seiner Durchlässigkeit ist ein Erfolgsrezept für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Entweder studieren oder arbeiten, dieser Grundsatz gilt in der Schweiz schon lange nicht mehr. Bereits in den 70er-Jahren ging es um das Vermitteln einer soliden Berufsbildung. So lesen wir in der Zollrundschau von 1978: «Die Koordination der Lehrlingsausbildung ist der Sektion Rekrutierung und Ausbildung übertragen worden. An jedem Arbeitsplatz ist ein ausgewiesener Beamter für die Ausbildung direkt verantwortlich».

Die Berufsbildung im BAZG

Heute ist die Berufsbildung im BAZG bei Personalentwicklung und Organisationsmanagement angegliedert und wird von der Berufsbildnerin Christine Fankhauser geleitet. Die «ausgewiesenen Beamten» sind in der Zwischenzeit durch 24 ausgebildete Praxisbildnerinnen und Praxisbildner abgelöst worden, welche die Lernenden und Praktikanten in ihren Teams begleiten, ausbilden und betreuen. Absolvierten 1978 noch kaufmännische Angestellte oder eine «Laboranten-Lehrtochter» eine Ausbildung, bietet die Berufsbildung BAZG heute ein viel umfassenderes Berufsspektrum an.

So absolvieren neun Lernende die Ausbildung zur Kauffrau / zum Kaufmann EFZ/EBA, drei Lernende die Ausbildung zur Mediamatikerin / zum Mediamatiker EFZ, zwei Lernende die Ausbildung zur ICT-Fachfrau / zum ICT-Fachmann und ein Lernender die Ausbildung als Koch EFZ in der Küche des Ausbildungszentrums in Liestal (Campus BAZG). 

Neben den «klassischen» Grundausbildungen EFZ/EBA können an den Standorten in Liestal (Campus BAZG), Delémont (Abteilung Alkohol) und Bern (Hauptsitz) Praktikantinnen und Praktikanten von Wirtschaftsmittelschulen ihr einjähriges Langzeitpraktikum in der Branche «Dienstleistung und Administration» absolvieren, bis sie ihren Berufsabschluss mit Berufsmaturität abschliessen.

Die kaufmännische Grundbildung ist zurzeit im Umbruch und wird neu ausgerichtet. 2023 ist die neue Berufsbildungsverordnung (BiVo 2023) in Kraft getreten, welche die Ausbildung Kauffrau/Kaufmann EFZ noch konsequenter an die Berufspraxis ausrichtet. Während die Umsetzung bei den Lernenden EFZ bereits im Sommer 2023 begonnen hat, wird sie bei den WMS-Praktika ab Sommer 2025 umgesetzt. Mit den Wahlpflichtbereichen, den Vertiefungsmöglichkeiten im dritten Ausbildungsjahr (Optionen Finanzen, Standardsprache, Fremdsprache, Technologie), wird vermehrt auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Stärken der Lernenden und auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Ausbildungsbetriebe eingegangen.

Betreuung und Integration

Die Berufsbildung BAZG bietet aber nicht nur Lehrstellen EFZ/EBA und Praktika für Wirtschaftsmittelschülerinnen und -schüler an, sondern engagiert sich auch in der Integration. So arbeitet das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit auf dem Campus BAZG in Liestal mit der Eingliederungsstätte Baselland ESB zusammen. Dieses soziale Unternehmen bietet seit 1975 Jugendlichen und Erwachsenen mit Unterstützungsbedarf Ausbildungs- und Arbeitsplätze sowie Wohnmöglichkeiten mit professioneller Betreuung an. Beispielsweise im Bereich des Betriebsunterhaltes können Lernende ein dreimonatiges Praktikum im betrieblichen Fachbereich Gebäude (Infrastruktur) absolvieren.

Seit 2024 besteht auch eine Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungszentrum Solothurn-Grenchen (BBZ). Diese kantonale gewerblich-industrielle Berufsfachschule bietet für fremdsprachige Jugendliche und junge Erwachsene ein Integrationsjahr an mit dem Ziel, die sprachliche, soziale und berufliche Integration zu verbessern und so Erfahrungen in der Arbeitswelt in der Schweiz zu sammeln. Bereits konnten zwei junge Erwachsene aus Syrien und Afghanistan im Betrieb und in der Planung des Campus BAZG Liestal ein mehrmonatiges Praktikum absolvieren.

Foto Logo ESB
Foto Logo BBZ

Mit seiner Berufsbildung leistet das BAZG seinen Beitrag in Zeiten des Fachkräftemangels und unterstützt auch die Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aus ihrem Land geflüchtet sind und sich in unsere Gesellschaft und unsere Berufswelt integrieren möchten. Und wie sich 1978 gemäss der Zoll-Rundschau die «ausgewiesenen Beamten» mit «grossem Eifer und gutem Erfolg dieser zusätzlichen Aufgabe» widmeten, engagieren sich auch heute noch viele Mitarbeitende des BAZG aus verschiedenen Teams für diese wertvolle und wichtige Aufgabe.

Von Kabul nach Liestal: Interview mit Sivita Hajizadeh

Sivita Hajizadeh
Sivita Hajizadeh am Empfang im Campus BAZG

Sivita Hajizadeh ist 19-jährig und stammt aus Kabul in Afghanistan. 2018 flüchtete ihre Familie in die Türkei, wo sie rund fünf Jahre lebten. Seit 2022 wohnt sie mit ihrer Mutter und Schwester in der Schweiz und besucht das Integrationsjahr in der Berufsschule Solothurn-Grenchen (BBZ). Seit März 2025 absolviert Sivita Hajizadeh im Betrieb des Campus BAZG in Liestal ein Praktikum und wird im August 2025 eine Lehre als Dentalassistentin EFZ antreten können.

 


Frau Hajizadeh, Sie stammen aus Afghanistan und leben seit 2022 in der Schweiz. Wie gefällt es Ihnen in der Schweiz? Was vermissen Sie?

Was mir aufgefallen ist, dass die Menschen sehr nett und offen sind. Die Lebensqualität in der Schweiz ist viel besser, und was mir auch sehr gefällt ist die Natur, vor allem die Berge und Wälder und die saubere Luft. Ausserdem ist die Schweiz für alle Religionen offen und Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Es gibt hier politische Freiheit und ich denke, dass der Umgang in der Familie zwischen Eltern und Kindern offener ist. Hier kann man mit 18 selber entscheiden, was man will. Das ist in Afghanistan nicht so, dort entscheidet vor allem der Vater. Was ich hingegen vermisse, ist meine Heimatstadt Kabul, wo meine Verwandten leben und auch meine Freundinnen und Freunde von früher.

Wie erleben Sie die Situation in Afghanistan von der Schweiz aus gesehen?

Ich mache mir Sorgen um die Sicherheit meiner Familie und vor allem um die Frauen. Ich versuche, Kontakte zu behalten, so gut es geht. Manchmal geht es mit dem Handy, aber per E-Mail ist es sehr schwierig. Die Infrastruktur in Afghanistan ist nicht gut. Ich hoffe, dass sich die Lage irgendwann einmal verbessert und wünsche mir Frieden für mein Land.

Sie sprechen Dari, Persisch und Türkisch und können auch Arabisch lesen. In den letzten knapp drei Jahren in der Schweiz haben Sie intensiv Deutsch gelernt und bereits das Niveau B1 erreicht. Was waren die Schwierigkeiten, die deutsche Sprache zu lernen und wie haben Sie das geschafft?

Als ich in die Schweiz gekommen bin, habe ich gar nichts verstanden und ich hatte das Gefühl, dass ich viel Zeit brauchen werde, um die deutsche Sprache zu lernen. Mir war klar, dass ich Deutsch lernen muss, wenn ich in der Schweiz leben will. Ich konnte früher auch kein Türkisch und habe diese Sprache in der Türkei im Alltag gelernt, da ich dort nicht zur Schule gehen konnte. Das hat mich motiviert. Wie in der Türkei, habe ich auch in der Schweiz den Kontakt zu den Menschen gesucht und so im Alltag geschafft, mein Deutsch zu verbessern. Gelernt habe ich Deutsch aber vor allem im Integrationsjahr im Berufsbildungszentrum in Solothurn. Im Moment bin ich an dieser Schule auch dabei, das Niveau B2 zu erreichen und mein nächstes Ziel wäre es, Französisch zu lernen, das ich als Zweitsprache in der Schweiz wichtig finde.

Sie haben die Grundschule in Kabul besucht und haben fünf Jahre in der Türkei gelebt. Nun besuchen sie das Integrationsjahr an der Berufsschule in Solothurn. Wie erleben Sie den Schulalltag in der Schweiz? Wo sehen Sie Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten?

Wenn man in Afghanistan einen höheren Schulabschluss machen will, muss man eine Privatschule besuchen. Diese kosten aber viel Geld und die meisten Menschen können das gar nicht bezahlen. Die staatlichen Schulen funktionieren nicht so gut, das gesamte Schulmaterial muss man selber kaufen, die Schulbücher sind auch sehr alt und nicht mehr aktuell. Zudem ist der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern überhaupt nicht respektvoll. Im Schulalltag spürt man die Spannungen zwischen den unterschiedlichen Ethnien in Afghanistan. Im Moment dürfen Mädchen ja gar nicht mehr zur Schule. Ich sehe überhaupt keine Gemeinsamkeiten mit den Schulen in der Schweiz. Und ich bin froh, dass es in der Schweiz anders ist als in Afghanistan.

Seit März 2024 absolvieren Sie ein Praktikum im Campus BAZG in Liestal, jeweils an zwei Tagen pro Woche in der Administration und in der Planung. Was gefällt Ihnen dabei besonders, was sind die Herausforderungen?

Ich sehe im Campus viele interessante Sachen, die ich bisher noch nie gesehen habe. Zum Beispiel konnte ich die Ausbildung der Aspirantinnen und Aspiranten beobachten. Ich habe viel gelernt über die Regeln und Gesetze in der Schweiz und es kommt immer etwas Neues dazu und ich lerne immer wieder neue Menschen kennen. Der Kontakt mit Menschen ist mir wichtig, auch um mein Deutsch weiter zu verbessern. Besonders gefallen mir Aufgaben, bei welchen man planen und organisieren muss. Zu Beginn war es vor allem schwierig zu wissen, wo welche Dokumente abgelegt sind.

Im August 2025 werden Sie eine Lehre als Dentalassistentin EFZ beginnen können, was Ihr erstes Berufsziel ist. Vorher hatten Sie die Möglichkeit, auch in anderen Berufen zu schnuppern. Was denken Sie über das System der Berufsbildung in der Schweiz?

Ich finde das System in der Schweiz toll und es hilft sehr, sich für den richtigen Beruf zu ent-scheiden. Man hat viele Möglichkeiten, verschiedene Berufe kennen zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Ich selbst habe in verschiedenen Berufen geschnuppert und Praktika gemacht, was mir geholfen hat, mich zu entscheiden. In meinem Land kann man zum Beispiel nicht einfach schnuppern gehen oder ein Praktikum machen. Die meisten Personen, welche die Schule abschliessen, gehen an eine Universität. Alle anderen besuchen entweder eine Berufsschule oder arbeiten als Hilfsarbeiter. Das ist aber erst seit einigen Jahren so und wurde von der UNICEF aufgebaut.

Sie sind 19-jährig und werden demnächst eine Berufslehre absolvieren. Haben Sie schon Vorstellungen davon, wie es danach weitergehen soll? Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?

Nach meiner Lehre als Dentalassistentin würde ich gerne weiter machen. Mich interessieren medizinische Berufe sehr. Das liegt vielleicht auch in der Familie. Ich habe Verwandte, die Dentalassistentin gelernt haben, Hebammen oder Apotheker. Mich würde aber auch ein Beruf bei der Polizei oder beim Zoll interessieren. Ich weiss, dass das im Moment noch nicht möglich ist, aber in 10 Jahren kann viel passieren.

Möchten Sie zum Schluss noch etwas sagen?

Es gibt einen arabischen Ausdruck Wort, «Yallah, Yallah», was so viel bedeutet wie «Auf geht’s» oder «Vorwärts». Das ist mein Motto. Ich finde, wenn man in die Schweiz kommt und etwas erreichen will, das auch schaffen kann. In der Schweiz hat man viele Möglichkeiten sich auf Berufe vorzubereiten und Berufe zu lernen. Dafür muss man motiviert sein und ein Ziel haben. Wichtig ist, Kontakt mit den Menschen in der Schweiz zu haben und so rasch wie möglich die Sprache zu lernen und unabhängig zu werden. Man sollte keine Angst haben, etwas falsch zu machen. Das habe ich von meiner Mutter gelernt, die mich immer motiviert hat. Und ich sage, alle Leute in der Schweiz können erreichen, was sie sich wünschen, wenn sie es wirklich wollen und sich anstrengen.

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